Forschungsprojekt

31 Jan 2016

Leichte Sprache und Typografie – Ein Usability-Test zur Erkennbarkeit und Lesbarkeit ausgewählter Schriftarten

Die Forschung von Veronika Rohde und Lisa Stechert zur Typografie hat das Ziel, die Lesbarkeit ausgewählter Schriftarten im Rahmen der „Leichten Sprache“ zu überprüfen, um konkrete Schrift-Empfehlungen im Bereich der kostenfreien Fonts für die tägliche Praxis von Vereinen und Verbänden auszusprechen. Die Studie untersucht Lesbarkeit und Erkennbarkeit expliziter Fonts (vgl. Filek, Jan 2013 sowie Liebig, Martin 2008). Aussagen zu Lesegeschwindigkeit, Fixationsdauer, Sakkaden und Regressionen werden mittels der Methode des Eye-Tracking ermittelt. Die Studie stützt sich auf Aussagen der DIN 1450 „Schriften ­– Leserlichkeit“ (2013), die besonders auf die Bedürfnisse von Menschen mit Sehbehinderung eingeht.

Insgesamt werden in der Untersuchung drei Schriftarten vergleichend gegenübergestellt. Als Referenzgröße dient die Neue Frutiger 1450, die nach den Leserlichkeitskriterien der DIN 1450 entwickelt und optimiert wurde. Als Nullgröße fungiert die nicht optimierte, aber häufig gebrauchte Schriftart Arial. Als Orientierung für die Auswahl der zu testenden Open-Source-Schriftart dienen die Kriterien für eine bestmögliche Leserlichkeit nach der Norm DIN 1450 sowie die Ausführungen zur Lesbarkeit von Willberg / Forssmann (2005) und Filek (2013) x-Höhe, Ober- und Unterlängen, Punzen, Laufweite, Dickte, Strichstärke, Strichstärkenkontrast, Zeilenabstand, Grauwert im Mengensatz, Lesegewohnheit.

Nach einer ersten „Grobanalyse“ gelangten folgende Open-Source-Schriftarten in die engere Auswahl: FagoNo, Fira Sans, Open Sans und Roboto. Doch nicht alle vier Schriften erfüllen die Kriterien in gleichem Maße. Aus diesem Grund wurden sie im Folgenden noch einmal ausführlicher hinsichtlich folgender Kriterien untersucht: Zeichen verwechseln, individuelle Formen, Punzen, Buchstabenbreite, Laufweite, x-Höhe, Ober- und Unterlängen, Crowding-Effect. Das Erfüllen der einzelnen Kriterien wurde dabei mit Punkten bewertet (1 nicht erfüllt, 2 mit Abstrichen erfüllt, 3 erfüllt).

Im Ergebnis dieser Detail-Schriftanalyse schnitt die Schriftart FagoNo bei der Schriftanalyse mit 16,5 von 33 möglichen Punkten am schlechtesten ab, gefolgt von der Roboto mit 21 von 33 Punkten. Auf Platz zwei gelangte die Fira Sans, die 24 von 33 Punkten erzielen konnte. Als Sieger ging deutlich die Open Sans mit 29,5 von 33 Punkten hervor. Demzufolge wird in der vorliegenden Forschung die Open Sans im Vergleich zur Neuen Frutiger 1450 und Arial getestet.

Die Auswertung der Daten ergab, dass Wörter und kritische Buchstabenkombinationen in der Schriftart Arial deutlich schlechter erkannt werden als in den Schriftarten Open Sans und Neue Frutiger 1450. Insgesamt gehen 82 % der Abbrüche seitens der Testpersonen auf Wörter in der Schriftart Arial zurück. Auch die Anzahl der falsch gelesenen Wörter stellt einen wichtigen Indikator für die Erkennbarkeit dar. 67 % aller falsch gelesenen Wörter gehen auf das Konto der Arial sowie 70 % der Buchstabendreher.

Folglich lässt sich mit Blick auf die zuvor aufgestellte Hypothese sagen, dass kritische Buchstaben und Buchstabenkombinationen in der Schriftart Arial schlechter erkannt werden als in Open Sans und Neue Frutiger 1450. Was den Unterschied in der Erkennbarkeit zwischen Open Sans und Neue Frutiger 1450 angeht, kann kein signifikantes Ergebnis festgestellt werden. Dafür bedarf es weiterer Forschungen.

Die Auswertung ergiebt, dass die Schriftart Arial schlechter gelesen wurde. Mit einer Durchschnittgeschwindigkeit von 1.30.14 min wurde jene Schriftart am langsamsten gelesen. Die Open Sans und die Neue Frutiger 1450 wurden mit Durchschnittgeschwindigkeiten von 1.25.93 min und 1.24.46 min deutlich schneller gelesen. Folglich lässt sich sagen, dass die Schriftart Arial schlechter lesbar ist als die Schriften Open Sans und Neue Frutiger 1450.

Es gibt keine Unterschiede im Leseverständnis zwischen den drei Schriftarten.
Was den Unterschied in der Lesbarkeit zwischen den Schriftarten Open Sans und Neue Frutiger 1450 angeht, so kann hier nur von einem Trend gesprochen werden. In 44 % der Fälle wurde die Neue Frutiger 1450 am schnellsten gelesen – im Vergleich dazu die Open Sans in 37 % der Fälle. Während 22 % der Texte in der Open Sans am langsamsten gelesen wurden, waren es bei der Neue Frutiger 1450 nur 14 %. Und auch die durchschnittliche Lesegeschwindigkeit liegt bei der Neue Frutiger 1450 mit 1.24.46 min knapp unter der Geschwindigkeit der Open Sans mit 1.25.93. Auch hier bedarf es weiterer Forschungen, um diesen Unterschied zu analysieren.

Empfehlung für die Praxis

Mit Blick darauf, eine Empfehlung für die Praxis auszusprechen, kann die Schriftart Open Sans durchaus als kostenfreie Alternative für Behindertenwerkstätten und ähnliche Einrichtungen empfohlen werden, da sie den Kriterien guter Leserlichkeit nach der DIN 1450 genügt und in der Untersuchung zur Erkennbarkeit und Lesbarkeit ähnliche Ergebnisse wie die Neue Frutiger 1450 erzielen konnte.

Plakat Rhode&Stechert

Projektdaten:

Mitwirkende: Lisa Stechert, Veronika Rhode
betreuende Dozenten: Kerstin Alexander
Zeitraum: Wintersemester 2015/ 2016